Das Stiftungsvermögen stellt einen bedeutenden, jedoch oft ungenutzten philanthropischen Hebel dar. In diesem Abschnitt erfahren Sie, welche konkreten Schritte Sie unternehmen können, um das Potenzial Ihres Stiftungsvermögens stärker auszuschöpfen und Ihre Stiftungsziele somit effektiver zu verwirklichen.
Ein wesentlicher Anteil der finanziellen Möglichkeiten gemeinnütziger Stiftungen in Deutschland basiert auf den Erträgen, die aus Renditen ihres Stiftungsvermögens erwirtschaftet werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass in der Regel nur ein kleiner Teil des Stiftungsvermögens explizit für Förderung und Stiftungsaktivitäten eingesetzt wird, während der größte Teil dieser Gelder auf Finanzmärkten angelegt wird, um Einnahmen für die Vergabe von Zuwendungen und die Finanzierung des Stiftungsbetriebs zu erzielen.
Um dies zu verdeutlichen: Europäische Stiftungen verfügen über ein Stiftungsvermögen in Höhe von insgesamt 511 Milliarden EUR, während ein kleinerer Anteil in Höhe von etwa 60 Milliarden EUR jährlich für Förderungen aufgewendet wird, die dem Stiftungszweck dienen1.
In Deutschland sind etwa 95% der Stiftungen gemeinnützig und setzen sich aktiv für positive Veränderungen in der Gesellschaft ein. Da es keine gesetzlichen Regelungen für die Anlage von Stiftungsvermögen gibt, liegt eine hohe Eigenverantwortung bei den Stiftungen, um ihre Gemeinnützigkeit auch in Bezug auf Kapitalanlagen umzusetzen2.
Indem Stiftungen ihr Vermögen überwiegend an Finanzmärkten anlegen, investieren sie gleichzeitig auch in „kleine Teile des globalen Kapitalismus“3. Geschieht dies ausschließlich mit einem Blick auf Rendite, unterstützen sie dabei häufig Unternehmen, deren Ziele ihrem Stiftungszweck entgegenstehen.
Stiftungen, die Programme für bessere Gesundheit, menschenwürdige Arbeit oder echten Klimaschutz fördern, sollten diese nicht aus Erträgen kontroverser Investitionen finanzieren, die diese Projektziele konterkarieren2.
Dahingegen bedeutet ein strategischerer Einsatz des Stiftungsvermögens, dass ein größerer Teil des Kapitals für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet wird und nicht diametral zum eigenen Stiftungszweck arbeitet. Dies kann zum Beispiel bedeuten, in Unternehmen zu investieren, die zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen4.
Ein anderer Weg besteht darin, über Unternehmensbeteiligungen Einfluss auszuüben. Eine Methode hierfür ist die Teilnahme an Aktionärsversammlungen und die Abstimmung über entsprechende Themen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Aktionärsinitiativen zu initiieren, um Unternehmen zur Verantwortung für ihren Beitrag zum Klimawandel zu drängen. Auch wenn diese Strategien nicht unmittelbar zu einer Veränderung der Geschäftspraktiken führen, tragen sie dazu bei, Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen und öffentlichen Druck aufzubauen5.
Stiftungen, die ihr Anlageportfolio an ihren Wirkungszielen ausrichten, schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie erzielen Einnahmen und fördern ihren Zweck. Für Stiftungen, die sich für den Klimaschutz engagieren (oder deren Stiftungsziele durch den Klimawandel bedroht sind), bedeutet dies im Hinblick auf ihre Kapitalanlagen: weg von CO2-intensiven Unternehmen, hin zu Unternehmen, die Lösungen für die Klimakrise entwickeln. Ressourcen wie die Datenbank Climate Action 100+ helfen dabei, Unternehmen zu identifizieren, die weltweit zu den größten Treibhausgasemittenten gehören.
Viele Fallstudien belegen, dass die Einbeziehung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in ein Portfolio nicht zwangsläufig zu einer Verringerung der Rendite führt6. So scheint mittlerweile sogar eher das Gegenteil der Fall, wie Peter Willisch und Stefan Fritz, Geschäftsführer der Stiftungen der Erzdiözese München und Freising, betonen:
„Wer als Langfrist-Investor/-in Nachhaltigkeitsrisiken (und -chancen) nicht in seine anlagestrategischen Überlegungen miteinbezieht, setzt das Vermögen irreversiblen Verlustrisiken aus2.”
Als Anleger von Unternehmen kann eine Stiftung ihr Vermögen strategisch einsetzen, indem es ihre Stimmrechte nutzt, oder an spezialisierte Organisationen abgibt. Ein Beispiel ist die Stiftung Nord-Süd-Brücken, die ihre durch Stammaktien an den Unternehmen Puma und adidas begründeten Stimmrechte an das INKOTA-Netzwerk e.V. und die Kampagne für Saubere Kleidung überträgt7. Diese Strategie bietet die Möglichkeit, Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen und sie dazu zu bewegen, nachhaltigere Praktiken zu verfolgen, die den gesellschaftlichen Interessen und dem Stiftungszweck entsprechen.
Indem Sie das Thema bei internen Treffen ansprechen und aktuelle Informationen über Marktentwicklungen bereitstellen, können Sie stiftungsinterne Entscheidungsträger:innen einbinden und das Bewusstsein innerhalb Ihrer Stiftung schärfen.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Die Ausrichtung von Investitionen an den eigenen Werten und Zielen ist ein fortlaufender und komplexer Prozess. Betrachten Sie jeden Aspekt Ihrer Anlagen und beginnen Sie beispielsweise damit, Investitionen zu streichen, die Ihren Zielen direkt abträglich sind. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass Sie sich von Investitionen in den Bereichen Agrochemie oder fossile Industrien trennen.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Stiftungen sind in der Regel versiert darin, Wirkung durch die Vergabe von Fördermitteln zu erzielen. Sie sind jedoch nicht unbedingt Expert:innen in Bezug auf Anlagestrategien. Das Hinzuziehen externer Fachberatung kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die Kernwerte Ihrer Stiftung klarer zu definieren und Ihr Know-how im Bereich ethisch vertretbarer Kapitalanlagen zu erweitern. Dieser Schritt ermöglicht es, eine solide Grundlage für fundierte Entscheidungen im Einklang mit den Zielen Ihrer Stiftung zu schaffen.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Indem Sie soziale und ökologische Ziele für Ihre Investitionen festlegen und die Zielerreichung überwachen, können Sie feststellen, ob Ihre Investitionen die gewünschte Wirkung erzielen. Die Formulierung von Anlagerichtlinien kann dafür ein wichtiger erster Schritt und eine geeignete Arbeitsgrundlage sein.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Nutzen Sie die Erfahrungen anderer Stiftungen, die bereits erste Schritte in diesem Bereich unternommen haben, und ziehen Sie relevante Leitfäden heran. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Informationen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, die Beiträge des Stiftungsmagazins DIE STIFTUNG, der Leitfaden „Fair Anlegen & Stiften" von Facing Finance sowie das Kapitel und die Fallstudien zum philanthropischen Einsatz von Kapital von Active Philanthropy.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
1 Philea (2021): Data on the sector. Online verfügbar unter https://philea.eu/how-we-can-help/knowledge/data-on-the-sector/, zuletzt geprüft am 23.08.2023.
2 Facing Finance (2022): Fair Anlegen & Stiften. Ein Leitfaden für gemeinnütziges Stiften und eine sozial-ökologische Geldanlage. Herausgegeben von Facing Finance e.V. Online verfügbar unter https://www.facing-finance.org/files/2022/02/ff_fair-anlegen-und-stiften_broschuere_FEB22_RZ_web.pdf#ff_fair-anlegen-und-stiften_broschuere_RZ_v02.indd%3ALeitf�den, zuletzt geprüft am 26.10.2023.
3 Lily Tomson von ShareAction im Online-Kurs „Climate + Philanthropy: A Compact Learning Journey” von Active Philanthropy
4 Active Philanthropy (2022): Spotlight on Climate Funding Strategies. Active Philanthropy. Berlin. Online verfügbar unter https://www.activephilanthropy.org/fileadmin/user_upload/Knowledge/Spotlight_PDF_final.pdf, zuletzt geprüft am 03.11.2023.
5 ShareAction (2022): Shareholder Activism. ShareAction. Online verfügbar unter https://shareaction.org/unlocking-the-power/shareholder-resolutions, zuletzt geprüft am 26.10.2023.
6 Müller, Markus; Börger, Enrico; Bovenzi, Michele (2018): CIO Insights Reflections. Positiven Einfluss ausüben – auf Rendite und Gesellschaft. ESG bewerten. Deutsche Bank Wealth Management. Online verfügbar unter https://www.deutschewealth.com/dam/deutschewealth/cio-assets/esg/CIO Insights Reflections ESG Positiven Einfluss ausüben WM German client ready.pdf, zuletzt geprüft am 25.10.2023.
7 Braig, Franziska; Stolte, Stefan (2017): Wie Stiftungen ihr Vermögen nachhaltig anlegen können. Online verfügbar unter https://www.springerprofessional.de/nachhaltigkeit/stiftung/wie-stiftungen-ihr-vermoegen-nachhaltig-anlegen-koennen/15123174, zuletzt geprüft am 26.10.2023.
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Bildung im Klimawandel ist eine Initiative der API Kinder- und Jugendstiftung und Active Philanthropy, gefördert von der API Kinder- und Jugendstiftung und der deutschen Postcode Lotterie. Gemeinsam arbeiten wir daran, zwei der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zusammenzudenken, um so einen lebenswerten Planeten für diese und kommende Generationen zu erhalten. Bei Fragen zum Projekt wenden Sie sich bitte an info@activephilanthropy.org