Bildung hat nicht nur die Aufgabe, Wissen zu vermitteln, sondern auch dazu beizutragen, dass Lernende ihre inneren Überzeugungen und Haltungen im Hinblick auf den Klimawandel reflektieren und anpassen. Hier kommen Werte und Einstellungen ins Spiel. Erfahren Sie in diesem Abschnitt, warum es so wichtig ist, klimafreundliche Wertehaltungen zu kultivieren und wie Sie dazu beitragen können.
Eine wichtige Aufgabe der Bildung besteht darin, Lernende zu mündigen Bürger:innen auszubilden. Bildungsinitiativen, die darauf abzielen, werden oftmals unter dem Begriff der Persönlichkeitsentwicklung gefasst. Dieses Ziel ist auch im Kontext des Klimawandels relevant, denn die inneren Werte und Einstellungen, die Lernende übernehmen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Formung ihrer persönlichen Perspektive auf den Klimawandel. So betont die UNESCO neben Wissen und Fähigkeiten auch Werte und Einstellungen als zentrale Kompetenzen in der Klimawandelbildung1.
Auch in der Wissenschaft wird die Bedeutung von Werten und Einstellungen zur Bewältigung des Klimawandels erkannt. Ein Team von Forschenden am renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) unterstreicht, dass das Normen- und Wertesystem zu den sechs sozialen Kipp-Punkten gehört, die von entscheidender Bedeutung sind, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Ein entscheidender Aspekt besteht darin, die Nutzung fossiler Brennstoffe als moralisches Problem zu erkennen:
"Revealing the moral implication of the continued burning of fossil fuels is an example of an intervention that is likely to induce a tipping process through changes in the human normative system, i.e., the system of moral and behavioral norms that influence what is rewarded and desired in the society2."
Otto et al. 2020
Um einen tiefgreifenden Wandel zu erreichen, der angesichts der Herausforderungen des Klimawandels notwendig ist, muss also auch ein Wandel auf der persönlichen Ebene stattfinden.
Wichtig ist dabei, dass diese Veränderungen nicht durch Zwang oder Bevormundung herbeigeführt werden3. Vielmehr geht es darum, dass Lernende die Möglichkeit erhalten, sich aktiv mit ihren Werten und Einstellungen auseinanderzusetzen und diese eigenständig zu hinterfragen und anzupassen. Hier muss Bildung ansetzen.
Werte und Einstellungen spielen eine wichtige Rolle beim Verhalten in Bezug auf den Klimawandel. Es reicht nicht aus, nur zu wissen, dass der Klimawandel ein Problem ist. Oft besteht eine Diskrepanz zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Verhalten. Faktoren wie persönliche Werte, sozialer Druck, Selbstwirksamkeit und Lebenserfahrungen beeinflussen diese Diskrepanz4.
Die Vermittlung von Werten und Einstellungen erweitert somit das Wissen und die Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Sie regt Lernende dazu an, ihre eigenen inneren Überzeugungen und Haltungen zu reflektieren. Die Thematisierung von Werten und Einstellungen hilft Kindern und Jugendlichen dabei, einen moralischen Kompass zu entwickeln, um ihre Rolle im Umgang mit dem Klimawandel besser zu verstehen und angemessen zu handeln.
Zwei Konzepte, die der Wertevermittlung im Kontext Klimawandel zuträglich sein können, sind:
Der Klimawandel wird zunehmend als eine Frage der Ungerechtigkeit zwischen Generationen, ethnischen Gruppen oder Einkommensgruppen erkannt. Gerade diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark von den Auswirkungen betroffen5. Das zeigt, wie wichtig es ist, Klimagerechtigkeit in die Klimabildung zu integrieren und den Lernenden ein Bewusstsein für diese Ungerechtigkeiten zu vermitteln. Obwohl Klimagerechtigkeit als Schlüsselkonzept in Wissenschaft und Politik an Bedeutung gewinnt, ist sie im Bildungssektor noch nicht ausreichend etabliert6. Indem Lernende eine Klimagerechtigkeitsperspektive einnehmen, erkennen sie den Klimawandel als eine Frage der Gerechtigkeit und schärfen ihr ethisches Verständnis. Dies befähigt sie dazu, sich aktiv für gerechte Lösungen einzusetzen. Insbesondere in wohlhabenderen Ländern des Globalen Nordens wie Deutschland kann dies dazu beitragen, dass die Lernenden eine stärkere persönliche Verbindung zum Klimawandel entwickeln7.
Global Citizenship (oder globale Bürger:innenschaft) ist ein Begriff, der das soziale, ökologische und wirtschaftliche Handeln von Einzelpersonen und Gemeinschaften beschreibt, die erkennen, dass jeder Mensch ein:e Weltbürger:in ist. Die Vermittlung des Konzeptes befähigt Lernende dazu, lokale und globale Herausforderungen anzugehen und aktiv zu einer gerechteren, friedlicheren, toleranteren, inklusiveren, sichereren und nachhaltigeren Welt beizutragen. Im Kontext des Klimawandels betont Global Citizenship die Verantwortung und das Engagement jedes Einzelnen, globale Probleme wie den Klimawandel zu lösen8. Dadurch entwickeln Lernende ein Bewusstsein für die globalen Dimensionen dieses drängenden Problems. Gleichzeitig hilft es ihnen zu erkennen, dass ihre Handlungen Auswirkungen auf die Welt und ihre Mitmenschen haben und dass sie die Gestaltungsmacht haben, positive Veränderungen zu bewirken. Dieser Ansatz integriert die Prinzipien des globalen Lernens, die das Verständnis für globale Zusammenhänge und Wechselwirkungen fördern.
Ermöglichen Sie Lernenden den direkten Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aus Regionen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind. Organisieren Sie beispielsweise interkulturelle Austauschprogramme, Workshops oder Online-Patenschaften, in denen Schüler:innen persönliche Einblicke in die Herausforderungen des Klimawandels gewinnen und sich über Lösungsansätze austauschen können. Solche interkulturellen Interaktionen können dazu beitragen, den globalen Charakter des Klimawandels zu verdeutlichen und Lernende dazu anregen, sich als Teil einer weltweiten Schicksalsgemeinschaft zu sehen.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Bieten Sie Lehrpersonal gezielte Schulungen an, die ihnen helfen, Werte und Einstellungen im Kontext des Klimawandels zu vermitteln. Organisieren Sie Workshops, in denen Lehrkräfte lernen, wie sie Diskussionen über moralische Aspekte des Klimawandels in den Unterricht oder andere Lernformate einbeziehen können.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Schaffen Sie Plattformen, auf denen Lernende ihre Ideen zur Stärkung von Klimagerechtigkeit teilen können. Organisieren Sie Veranstaltungen, bei denen junge Menschen ihre Projekte und Initiativen vorstellen können, um ihre Stimme in die Klimadebatte einzubringen. Versuchen Sie dabei gezielt, Stimmen von Gruppen zu stärken, die im öffentlichen Diskurs unterrepräsentiert sind. Ein Beispiel für eine solche Initiative ist das Projekt Klima.Gerecht.Machen, das von der Münchener Rück Stiftung gefördert wird und sich speziell darauf fokussiert, die Perspektiven junger Menschen mit Migrationsbiographie einzufangen.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Fördern Sie künstlerische Projekte, die sich mit Klimagerechtigkeit auseinandersetzen. Dies kann in Form von Ausstellungen, Performances, Theaterstücken oder Kunstworkshops erfolgen, um eine kreative Plattform für den Dialog über Werte und Gerechtigkeit zu schaffen. Ein inspirierendes Praxisbeispiel ist das von der Bürgerstiftung Hamburg geförderte Projekt CREACTIV für Klimagerechtigkeit. Das Projekt erlaubt es Schüler:innen aus Deutschland sich mit Künstler:innen aus dem Globalen Süden zu vernetzen, um gemeinsam künstlerische Präsentationen und kreative Aktionen zu entwickeln.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Entwickeln Sie in Zusammenarbeit mit Expert:innen und/oder Wissenschaftler:innen aus der Pädagogik Planspiele, die es Lernenden ermöglichen, die Auswirkungen des Klimawandels auf unterschiedliche Gruppen besser nachvollziehen zu können und Lösungen zu entwickeln, die Gerechtigkeit in den Fokus rücken. In solchen Planspielen können Lernende sich beispielsweise in die Rolle von Altersgenoss:innen aus Ländern des Globalen Südens versetzen, um Phänomene wie klimabedingte Migration auch auf einer persönlichen Ebene besser verstehen zu können und aufzuzeigen, dass die Handlungen im Globalen Norden Menschen in weit entfernten Regionen beeinflussen.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Entwickeln Sie gezielte, altersgerechte Bücher und interaktive digitale Geschichten als Erweiterung Ihrer Bildungsangebote. Diese Geschichten dienen dazu, Kindern auf spielerische und ansprechende Weise die Bedeutung von Zusammenhalt, Verantwortung und Gerechtigkeit vor dem Hintergrund des Klimawandels näherzubringen. Durch das Eintauchen in fiktive Szenarien und Charaktere können (junge) Lernende nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels besser verstehen, sondern auch ihre Fähigkeit zur Empathie weiterentwickeln.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Ermutigen Sie Akteur:innen aus der Bildungspolitik, Bücher, Kurzgeschichten und Filme in den Lehrplan zu integrieren, die ethische Fragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel behandeln. Dies ermutigt Lernende dazu, die komplexen moralischen Aspekte des Themas zu erkunden und (miteinander) zu diskutieren.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
Initiieren Sie Schreibwettbewerbe, die Lernende verschiedener Altersgruppen dazu ermutigen, Geschichten, Gedichte oder Briefe zu verfassen, um ihre persönliche Beziehung zum Klimawandel sowie ihre eigenen Gedanken und Emotionen darüber auszudrücken. Im Schulkontext lassen sich solche Aktivitäten mühelos in bestehende Lehrpläne (z.B. in den Fächern Deutsch, Ethik oder Fremdsprachen) integrieren. Neben der Reflektion der individuellen Werte und Einstellungen in Bezug auf den Klimawandel fördern diese Übungen auch die kreativen Schreibkompetenzen und Ausdrucksfähigkeiten der Lernenden.
Ist diese Lösung für Ihre Stiftung relevant? Und wenn ja, setzen Sie diese bereits um?
1 UNESCO (2023): Climate change education. UNESCO. Online verfügbar unter https://www.unesco.org/en/education-sustainable-development/climate-change, zuletzt aktualisiert am 27.04.2023, zuletzt geprüft am 16.05.2023.
2 Otto, Ilona M.; Donges, Jonathan F.; Cremades, Roger; Bhowmik, Avit; Hewitt, Richard J.; Lucht, Wolfgang et al. (2020): Social tipping dynamics for stabilizing Earth's climate by 2050. In PNAS 117 (5), S. 2354–2365. DOI: 10.1073/pnas.1900577117 .
3 O´Brien, K.; Sygna, L. (2013): Responding to climate change: The three spheres of transformation. In: Proceedings of Transformation in a Changing Climate, zuletzt geprüft am 23.05.2023.
4 Fritsch, Sabine; Thiem, Carolin; Sartori, Oliver (2020): Anders denken und handeln – Bewusstsein für das Klima. In: Volker Wittpahl (Hg.): Klima. Politik & Green Deal | Technologie & Digitalisierung | Gesellschaft & Wirtschaft: Springer Nature, S. 218–232. Online verfügbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-662-62195-0.pdf?pdf=button , zuletzt geprüft am 20.01.2023.
5 Chancel, Lucas; Bothe, Philipp; Voituriez, Tancrède (2023): Climate Inequality Report. Fair taxes for a sustainable future in the Global South. With assistance of Lucas Chancel, Philipp Bothe, Tancrède Voituriez. World Inequality Lab. Online verfügbar unter https://wid.world/wp-content/uploads/2023/01/CBV2023-ClimateInequalityReport1.pdf, zuletzt geprüft am 10.10.2023.
6 Kranz, Johanna; Schwichow, Martin; Breitenmoser, Petra; Niebert, Kai (2023): Politik – der blinde Fleck der Klimabildung. klimafakten.de. Online verfügbar unter https://www.klimafakten.de/meldung/politik-der-blinde-fleck-der-klimabildung, zuletzt aktualisiert am 25.01.2023, zuletzt geprüft am 21.07.2023.
7 Stapleton, Sarah Riggs (2018): A case for climate justice education: American youth connecting to intragenerational climate injustice in Bangladesh. In: Environmental Education Research. Online verfügbar unter https://doi.org/10.1080/13504622.2018.1472220 , zuletzt geprüft am 16.05.2023.
8 Mochizuki, Yoko; Bryan, Audrey (2015): Climate Change Education in the Context of Education for Sustainable Development: Rationale and Principles. In: Journal of Education for Sustainable Development 9 (1), S. 4–26. DOI: 10.1177/0973408215569109 .
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Bildung im Klimawandel ist eine Initiative der API Kinder- und Jugendstiftung und Active Philanthropy, gefördert von der API Kinder- und Jugendstiftung und der deutschen Postcode Lotterie. Gemeinsam arbeiten wir daran, zwei der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zusammenzudenken, um so einen lebenswerten Planeten für diese und kommende Generationen zu erhalten. Bei Fragen zum Projekt wenden Sie sich bitte an info@activephilanthropy.org